Gefahren im Nationalpark - eine vergessene Wahrnehmung

 

Die vergangenen Jahre haben - insbesondere an Rügens schöner Kreideküste - erneut gezeigt: die Natur ist nicht nur schön, sie ist auch gefährlich!

Insbesondere nach tragischen Unfällen, wie zum Jahresende 2011, wird schnell von Versäumnissen und/oder Verantwortlichkeiten gesprochen. Wer kann oder muss diese Gefahrenbeherrschen? Wer trägt die Verkehrssicherungspflicht für unsere Naturschönheiten?

Sind die Gefahren bei den sich in ständiger, wenn auch nicht sichtbarer Bewegung befindlichen Kreideküsten offensichtlich, so sind diese Fragen auch in vergleichsweiseharmlos erscheinenden Wäldern (Waldgebieten) zu beantworten. Wer im Urlaubentspannt den wilden und urwüchsigen Darßwald erwandert, mit dem Rad fährt oder per Kutsche unterwegs ist, macht sich in der Regel keine Gedanken, ob dieser wilde Wald möglicherweise Gefahren in sich birgt. Es gilt jedoch Folgendes, und dies sogar gesetzlich verankert: Das Betreten des Waldes geschieht auf eigene Gefahr! Seit dem Jahr 2011 enthält das Landeswaldgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern darüber hinaus zur Klarstellung der Gesetzeslage die Formulierung, dass der Waldbesitzer nicht für „natur- oder waldtypische Gefahren durch Bäume oder durch den Zustand von Wegen, unabhängig von ihrer Kennzeichnung“ haftet. Ferner haftet er auch nicht für „Gefahren außerhalb von Wegen, die natur- oder waldtypisch sind“.

Die Begriffe der typischen und atypischen Gefahr sind durch die jahrzehntelangeobergerichtliche Rechtsprechung entwickelt worden. Typische Gefahren im Wald sind u. a. herabfallende Äste, Bodenunebenheiten, Baumteile auf den Wegen, in den Luftraum hineinragende Äste und - insbesondere in einem Nationalpark - die mit Alt- und Totholz verbundenen Risiken.

Gegen diese typischen Gefahren im Wald hat der Waldbesitzer grundsätzlich keine Vorkehrungen zutreffen. Lediglich an öffentlichen Straßen und Grundstücken wird ihm eine vorbeugende Kontrollpflicht auferlegt.

Die Rechtslagefindet sich hinsichtlich der freien Landschaft in § 60 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege - Bundesnaturschutzgesetz - wieder: „Das Betreten der freien Landschaft erfolgt auf eigene Gefahr. Durch die Betretungsbefugnis werden keine zusätzlichen Sorgfalts- oder Verkehrssicherungspflichtenbegründet.“ Im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft mag als eindrucksvolles Beispiel der Weststrand genannt werden, der sowohl für Urlauberund auch Einheimische die ungezähmte Veränderung der Küste eindrucksvollveranschaulicht.

Vor atypischen Gefahren im Wald und in der freien Landschaft muss der Besucher jedoch geschützt werden. Dies sind solche, mit deren Auftreten der Besucher nicht rechnen muss. Als Beispiele seien hier die Schaffung von künstlichen Gefahrenquellen, wie baulichen Anlagen in Form von Schutzhütten, Bohlenstegen, wegebegleitenden Geländern oder Abstiegen, genannt.

Nichts anderes gilt für die imposante Kreideküste. Was durch menschliche Hand geschaffen wurde, bedarf selbstverständlich einer eingehenden Kontrolle. Die Kreideabbrüche, das Entstehen von Abbruchkanten und das Hinabstürzen von Bäumen auf den Strandstellen jedoch typische Besonderheiten dar. Ihre Gefährlichkeit bleibt dem Besucher nicht verborgen.

Deshalb bedarf es über die vorgenommene Beschilderung mit dem Hinweis auf die besondere Gefährlichkeit beim Betreten des Geröllstrandes und des Hochuferweges im Nationalpark Jasmund hinaus keiner weitergehenden Maßnahmen. Nur bei akuten, also unmittelbar bevorstehenden Gefahren für Leib oder Leben, kommen möglicherweise Sperrungen von Wegen oder Strandabschnitten in Betracht.

Der Besucher sollte sich deshalb bewusst sein: Wildnis ist schön und unberechenbar!

 

Claudia Hameister

 

Quelle: Nationalpark-Info 22, Nationalparkamt Vorpommern, April 2012

 

Weg im Darß